Sonntag, 5. April 2009

Youtube zensuriert

Da wir Deutschen ja mit Nordkorea, Saudi Arabien und dem Iran in Sachen Zensur und Beschneidung (nicht was ihr denkt) wetteifern, muss die GEMA nun mit Youtube streiten und Musikvideos sperren lassen. 50 Mal so viel wie die britische Verwertungsgesellschaft PRS will die deutsche GEMA von Youtube für die Bereitstellung von Musikvideos. Warum, um die eigenen Taschen zu füllen die Künstler fair zu entlohnen.

Damit wir uns nicht falsch verstehen, es geht nicht um Urheberrechtsverletzungen auf Youtube, nein, der Streitwert sind die offiziellen Musikvideos, teilweise von den Plattenlabels selbst auf Youtube bereitgestellten. Genau, für diese soll Youtube GEMA-Gebühren in noch nie dagewesener Höhe bezahlen. Natürlich sieht Youtube das nicht ein. Nicht, dass Google als Eigentümer gemeinnützige Zwecke verfolgen würde, doch Youtube hat sich zu einem Kulturmedium entwickelt und ich halte den freien Zugriff darauf für extrem wichtig. Als solches wird es uns Deutschen jedoch nun nicht mehr in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Erst Flickr (auch dieses ist für Deutschland stark beschnitten) und nun Youtube. Wo soll das noch hinführen?

Bürokratie und deutsche Genauigkeit fordern ihren Tribut. Wir schließen uns selber lieber aus von der digitalen Revolution. Unwissende Internetausdrucker bestimmen wo es lang geht. Das Medium Internet wird zensiert, niemand beachtet seine Neutralität. Weder Fernsehen, Post noch die Ionosphäre als Medium von Radiowellen haben jemals eine derartige Beschränkung erlebt. Warum bloß das Internet?

6 Kommentare:

ApoX hat gesagt…

Hallo,
ich weiss nicht, ob die Schritte der GEMA etwas mit Zensur zutun hat. Vielmehr versuchen sie die Rechte der Rechteinhaber zu verteidigen und an den Einnahmen, die YouTube durch die Videos hat, teilzuhaben. Wie hoch die Abgaben den nun sein sollen, steht ja nicht fest. Von 0,2 Cent bis 12 Cent schwanken die inoffiziellen Angaben.
Dass das ganze schizophrenen Charakter hat, liegt auf der Hand. Die Rechteinhaber stellen Videos freiwilling auf YouTube zur Verfügung und die GEMA will dafür YouTube abkassieren, obwohl die Künstler selber die Veröffentlichung veranlasst haben.
Weiterhin merkwürdig ist das völlig überholte Lizenzsystem, das bis zur Ländergrenze reicht. Werden die Videos bei YouTube.de gelöscht, gucke ich sie bei YouTube.com. Genauso sinnig ist es, MP3-Dateien nur in bestimmten Ländern zu vertreiben. Klar, es ist technisch machbar und deshalb werden die Märkte abgeschottet. Dass ich ohne Probleme Musik-CDs aus England, Jersey(Steuerparadies) oder Australien bestellen kann, ohne dass ich in meiner Kaufentscheidung beeinträchtigt werde, spricht wiederum für die CD als Musikträger. Die Musikindustrie scheint zwar global produzieren zu können, um den Gewinn zu maximieren, aber eine Antwort auf global agierende Kunden haben sie noch nicht gefunden...
Zum Thema GEMA eine klasse Aktion, über die TP berichtet: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28568/1.html
Unternehmen und Globalisierung: http://zufalltagsgedanken.wordpress.com/2009/04/05/pleite-shoppen/

Gruss ApoX

Piel hat gesagt…

Hallo ApoX,
natürlich zensiert die GEMA nicht die Videos, YouTube selber sperrt die Videos für deutsche IP-Adressen. Deswegen ist auch youtube.com keine Lösung, da muss man schon eine Proxy verwenden. Das Problem ist noch nicht einmal der tatsächliche Betrag, sondern die fehlende Flexibilität auf YouTube einzugehen. YouTube ist kein gemeinnütziges Konstrukt, es finanziert sich durch Werbung. Doch die GEMA sieht in YouTube offenkundig ein zweites iTunes oder Amazon. Deren Geschäftsmodell sieht jedoch den Verkauf von hochqualitativen Musikdateien für 99 Cent das Stück vor. YouTube gleicht eher einer Promotion-Platform für die Musiker (http://news.bbc.co.uk/2/hi/technology/7967908.stm), auf der in der Qualität heruntergerechnete Tonspuren kostenfrei zu hören sind. Weiterhin ist YouTube mehr als nur ein E-Commerce-Projekt, es entstand im Sinne des Mitmachwebs, lange bevor überhaupt von einer Monetarisierung die Rede war. Bis heute ist neben dem kommerziellen Aspekt eine Kulturplatform für Jugendliche, Kreative und gar Künstler übrig geblieben. Die GEMA - da sie ja leider existiert - soll ihrer Arbeit nachgehen, doch bitte angemessen, das heißt mit einer Verhältnismäßigkeit, die uns YouTube-Nutzern nicht schadet.

Das war eine coole Aktion mit dem Schnipsel-Lied!

Gruß,
Piel

ApoX hat gesagt…

So, mein gerade geschriebener Kommentar ist in den Annalen von OpenID verschollen, daher die Kurzform:
-mir scheint, es geht um ein Kräftemessen von YouTube und der GEMA, denn 2007 sah das Ganze noch anders aus (http://www.heise.de/newsticker/YouTube-Nutzer-duerfen-GEMA-Musik-einsetzen--/meldung/98714)
In dem von dir verlinkten Artikel wird der Vergleich zum TV/Radio gezogen, dessen Rolle YouTube einnimmt. Radiosender müssen genauso GEMA-Gebühren bezahlen wie YouTube es bis Ende März getan hat.
Es ist jedem frei, Mitglied in der GEMA zu sein und die Wahrung der Rechte von der GEMA übernehmen zu lassen. Und wenn sich YouTube durch Werbung finanziert, dann sollten doch auch die Rechteinhaber (=Künstler) indirekt (durch die GEMA) finanzielle daran partizipieren können.
Wie gesagt, ich bin auch der Meinung, dass mit Regelungen die über 20 Jahre alt sind keine passenden Antworten auf das digitale Zeitalter gefunden werden und dass die GEMA mental noch nicht im digitalen Internetzeitalter angekommen zu sein scheint.

Piel hat gesagt…

Ich habe gelernt, dass es für die GEMA rechtlich einen Unterschied zwischen Radio und Internet gibt. Anders wäre das nicht möglich, denn während ein Radiosender vielleicht 50-100 verschiedene Tracks am Tag spielt, sind es bei Youtube selbst nur auf die GEMA-Mitglieder beschränkten, sicherlich hunderte pro Stunde, zig-tausende wenn man das noch auf jeden Abruf bezieht.

Youtube hat im letzten Jahr 200 Millionen Dollar umgesetzt. Bei 100 Mio. Videoabrufen pro Tag, macht das pro Videoaufruf 0,005 USD, sprich einen halben US-Cent, Umsatz durch Werbeeinblendungen. Selbst wenn die GEMA nur 1 Cent verlangen würde, würde das in keiner Relation stehen. Zwar mag es nur 60.000 Künstler geben, die direkt von der GEMA vertreten werden, doch das würde Schule machen, die Verwertungsgesellschaften kooperieren eng. YouTube muss ja auch noch die Rechte an dem Videomaterial bezahlen, auch hier gibt es Rechteinhaber, die mitverdienen sollen.

Soll ein so vielseitiges Portal nur wegen dem gierigen Multi-Milliardenbusiness Musik wirtschaftlich uninteressant gemacht werden? Die Folge könnte im schlimmsten Fall der Verkauf oder die Schließung sein. Oder halt die Sperrung für bestimmte Inhalte und Regionen. Da ich sowohl Musik und YouTube konsumiere, die Musikbranche aber nicht in Gefahr sehe, hoffe ich, dass YouTube hier als Gewinner rausgeht. Musiker sollen ihr Geld durch Plattenverkäufe verdienen. Nichts gegen die Verdienste durch die Nutzung ihrer Werke, doch Youtube ist eine Promotionplatform für Musik, die Musiker verdienen Geld mit YouTube durch Imagegewinn und Verkäufen (siehe meinen Link, siehe iTunes-Links direkt in den Videos). In den letzten paar Monaten haben mich Musikvideos auf YouTube angefixt, die ich anschließend unbedingt kaufen wollte. Das bisserl Autoradio schafft das nicht, auf 1Live spielen die sowieso immer nur 30 Songs rauf und runter und VIVA und MTV sind unguckbar geworden. Wie will die Musikbranche mich, als Anfang 30iger, denn als Kunde ansprechen? Radio, TV und Zeitschriften sind jedenfalls kein Medium mit dem sie mich erreichen!

ApoX hat gesagt…

Hallo,
hier ist ein interessanter Link zum Thema: http://arstechnica.com/tech-policy/news/2009/04/should-youtube-pay-more-154-million-rickrolls-11.ars
Dass ein Künstler bei 154 Millionen abrufen eine Vergütung von 11 Pfung bekommt, steht in keinem Verhältnis. Ich kenne die Regelungen fürs Radio nicht, aber für eine Reichweite von 154 Millionen Hörern bedarf es schon mehrerer Radiosendern, um soviele Hörer zu erreichen.
Der Abschnitt über die Marktmacht von Google/YouTube weiter unten im Artikel ist auch interessant.
Wenn jeder Abhörer noch ein Kick vor Youtube schreiben würde, dann würde es praktisch niemand mehr kaufen (müssen)...
Es gibt auch noch geügend Alternativen wie Vimeo und Sevenload, bei denen man Videos hochladen und der Öffentlichkeit präsentieren kann. Dass es auch ohne rechtliche Streitigkeiten geht, zeigt demnächst www.vevo.com und ein Geschäftsmodell mit der Verteilung von Musik scheint ja zu funktionieren, wenn last.fm in DE und USA weiterhin kostenlos ist und sich über Werbung finanziert...

Piel hat gesagt…

Natürlich steht das in keinem Verhältnis. Der Unterschied ist jedoch auch der, dass Youtube ja nicht von sich aus die Musik des Künstlers ins Netz stellt. Der Künstler selber kann entscheiden, ob er seine Musik hochlädt, oder ob nicht. Sind ihm 11 Pfund für 154 Millionen Klicks zu wenig, dann soll er seine Musik nicht hochladen. Das kann man nunmal nicht mit einem Radiosender vergleichen. Youtube ist eine Platform auf dem User ihren eigenen Content einstellen können, wenn sie wollen. Uploads anderer User, die nicht Künstler sind, müssen den Künstler fragen ob sie es dürfen. Stimmt der Künstler nicht zu, dann löscht Youtube auf dessen Verlangen das Video.

Ein Radiosender bestimmt den Content jedoch selber, sendet ihn aktiv in die Ionosphäre, nimmt also das Werk des Künstlers und schickt es allen seinen Zuhörern.

Ich finde den konzeptionellen Unterschied zwischen einem Radiosender und einer Videoplatform mehr als ausreichend um hier sogar völlig auf Zahlungen an Künstler zu verzichten. Der Webhoster müsste dem Künstler auch keine Nutzungsgebühren für Musikvideos zahlen, die der Künstler auf dem Server des Hosters abgelegt hat. Und Google, welches das Musikvideo auf dem Server findet, wird wohl auch kaum für das Auffinden des Videos zur Kasse gebeten werden. Im Prinzip hat Youtube genau diese beiden Leistungen vereint: Hosten und Finden. Willst du das nicht (Künstler), dann gehe halt zu Platform A, B oder C und nicht zu Youtube.